Religionen können Menschen das Gefühl geben, alles unter Kontrolle zu haben - oder doch wenigstens da, wo sie den Lauf der Dinge nicht (mehr) unter Kontrolle haben, nicht völlig ohnmächtig zu sein, sondern noch etwas tun zu können, z. B. ein Ritual durchführen, in Gebeten die Götter zur Hilfe rufen, oder auch die Götter anklagen oder beleidigen, um sie zum Eingreifen zu provozieren. Oft wird es dann nach einiger Zeit so aussehen als hätten die religiösen Aktivitäten geholfen (wenn sie nicht tatsächlich geholfen haben). Und wenn nicht, haben die Menschen dann vielleicht genügend Kraft und Selbstvertrauen gewonnen, um ihre Notlage zu lindern oder sie doch wenigstens besser ertragen zu können.
Beruht vielleicht darauf der große Erfolg der Religionen in der Geschichte der Menschheit? Ist es für diesen Erfolg vielleicht gar nicht so wichtig, ob eine Religion mehr auf Wahrheit oder mehr auf Irrtümern und Illusionen beruht? Zerstört die Religionskritik (und schon die kritische Erforschung der Religionen in Theologie und Religionswissenschaft) die hilfreiche Wirkung der Religionen, indem sie diese als Placebo-Effekt entlarvt? Schlägt sie den Menschen eine Krücke weg, die ihnen hilft, wieder aufzustehen, nachdem das Leben sie umgeworfen hat? Wenn ja: Ist das gut oder schlecht für die Menschen?