24.4.22

Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will (Albert Schweitzer)

Vielleicht eher: Ich bin ein Lebewesen, das leben will, inmitten von Lebewesen, die leben wollen?!

Wollen alle Lebewesen leben?
Manche Menschen sind lebensmüde oder lebenssatt.
Manche Menschen sind unter bestimmten Umständen bereit zu sterben.
Gibt es auch lebensmüde Tiere, Pflanzen oder Bakterien?

Ist der Tod der Feind des Lebens eines Lebewesens oder sein Ende?
Ist der Anfang des Lebens eines Lebewesens gut, sein Ende aber schlecht?

Können alle Lebewesen wollen bzw. nicht wollen?
Hat das Wollen aller Lebewesen das gleiche Gewicht?

Dürfen Menschen Lebewesen töten?
Wenn ja: welche Menschen, welche Lebewesen, unter welchen Umständen?

Kann ein Mensch beurteilen, was es für ein Pferd heisst, zu leben bzw. zu sterben?
Oder für einen Maulwurf, eine Schnecke, ein Gänseblümchen, ein Bakterium?
Kann ein Bakterium beurteilen, was es für einen Menschen heisst, zu leben oder zu sterben?

Gehört zum Leben nicht nur sein Anfang und sein Ende (der Tod), sondern auch das Töten?
Bin ich umgeben von Lebewesen, die auf meine Kosten leben wollen?
Bin ich Leben, das tötet, inmitten von Leben, das tötet?

Kann ich leben, ohne zu töten?

In der Hebräischen Bibel wird die Sehnsucht danach laut:

Wolf und Lamm werden einträchtig weiden,
und der Löwe wird Stroh fressen wie das Rind,

heisst es in Jesaja 65 (vgl. Jesaja 11 und Genesis 1).

Allerdings rechneten die Menschen damals die Pflanzen noch nicht zu den Lebewesen
und wussten noch nichts von Bakterien.


20.4.22

psalm 1














glücklich ist der mann,
der nicht dem rat der frevler folgt
und nicht auf den weg der sünder tritt
und nicht im kreis der spötter sitzt,
sondern seine freude hat an der unterweisung jahwes
(des schöpfers und bewegers)
und tag und nacht über seine unterweisung nachdenkt.

er ist wie ein baum,
der an wassergräben gepflanzt ist:
er bringt seine frucht zu ihrer zeit,
und seine blätter verwelken nicht.
alles, was er macht, gelingt ihm.
so sind die frevler nicht,
sie sind wie spreu,
die der wind verweht.

darum werden die frevler im gericht nicht bestehen,
und die sünder in der gemeinschaft der gerechten.
denn jahwe (der schöpfer und beweger) 
kennt den weg der gerechten,
aber der weg der frevler geht zugrunde.

(gilt das auch für frauen und nichtbinäre?)

woran soll ich mich orientieren?
auf wen soll ich hören?
mit wem mich beraten?

mit den guten oder mit den schlechten?
aber woher weiß ich,
wer gut ist und wer schlacht?

mit menschen oder mit gott,
dem schöpfer und beweger?
aber woher weiß ich, was gott denkt?

mit mir selbst?
aber wieso sollte ich besser bescheid wissen
als alle anderen
und erst recht als gott?

es ist sicher gut,
nicht immer auf die lauten zu hören,
die alles besser wissen,
die nichts und niemand ernst nehmen,
die alle verachten und verspotten,
die anders denken.

es ist sicher gut,
nicht nicht nur auf mich selbst zu hören,
sondern zu überlegen,
was ein gott mir raten würde,
ein schöpfer und beweger
der ganzen welt.

es ist sicher gut,
auch auf das zu achten,
was menschen früher gedacht haben
über gott und die welt und das leben.
wer sagt denn, 
dass wir heute alles besser wissen?

und der erfolg?
haben die recht,
denen alles gelingt?
die wachsen und gedeihen,
denen es gut geht?

machen die alles falsch,
die auf keinen grünen zweig kommen?
die in armut und elend leben
und sterben?
an die niemand denkt?
wie die spreu, die der wind verweht?

müssen gerechte auch leiden können?

bin ich wie ein baum?
will ich so sein?

ein baum braucht wasser
(und fruchtbaren boden
und licht).
was brauche ich zum leben?
worauf bin ich angewiesen?
was habe ich nicht in der hand?

ein baum bringt früchte,
die tiere und menschen ernähren
und am leben erhalten.
früchte, die samen enthalten
für neue bäume,
neues leben.
und ich?

ein baum kann nur die früchte tragen,
die ihm entsprechen.
ein ölbaum trägt keine feigen,
ein apfelbaum keine kirschen.
und ich?

können menschen sich ändern?

ein baum trägt nicht das ganze jahr früchte,
sondern nur, wenn es zeit dafür ist.
im winter wächst kein obst.
früchte brauchen zeit
zum wachsen und reifen.

können menschen immer produktiv sein?

bäume bewegen sich nicht von der stelle.
sie blühen, tragen früchte, werfen ihre blätter ab
und so weiter und so weiter,
jahraus jahrein,
jahr um jahr.
bin ich so?
will ich so sein?

übrigens:
auch bäume sterben
und verrotten,
vom borkenkäfer ganz zu schweigen.

werden die menschen für ihr verhalten zur rechenschaft gezogen?
wenn ja: wann? und von wem?
richten die gerechten über die frevler?
schließen sie sie aus ihrer gemeinschaft aus?

wäre es vielleicht auch einen versuch wert,
die frevler und sünder und spötter von ihrem weg abzubringen
und für die sache der gerechten zu gewinnen?

täte es den gerechten vielleicht gut,
sich der kritik von außen zu stellen?

gott weiß, wer wohin unterwegs ist
und wohin das führen wird?
wissen wir es auch?

ist es vielleicht besser, dass wir es nicht wissen?


14.4.22

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Süddeutsche Zeitung, 14./15. April 2022, Seite 14

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Süddeutsche Zeitung, 14./15. April 2022, Seite 13