Ich habe keine Wurzeln. Ich bin keine Pflanze.
Das Gerede von den "Wurzeln", die Menschen angeblich haben, finde ich ziemlich irreführend.
Ich habe einmal irgendwo gelebt, wo ich schon lange nicht mehr gewesen bin. Jetzt ist es dort wahrscheinlich ganz anders als es damals war.
Das Leben dort hat vielleicht Spuren hinterlassen bei mir, oder auch Wunden und Narben. Ich rede vielleicht immer noch so ähnlich, wie man damals dort geredet hat. In meinem Unbewussten wirkt vielleicht nach, was man mir damals dort beigebracht, eingebläut oder eingeredet hat, wogegen ich vielleicht mein Leben lang angekämpft habe. Sind das Wurzeln? Zehre ich davon?
Wenn Menschen "Wurzeln" haben sollten, dann sollten sie auch das Recht haben, sie aus dem Boden zu reissen und woanders wieder einzupflanzen (oder sie in einen Topf zu pflanzen, den man leicht von einem Ort zum anderen bewegen kann).
Ausser Wurzeln brauchen Pflanzen übrigens auch noch Licht und Luft, Regen und Nährstoffe ...
Wo von "Wurzeln" die Rede ist, sind "Blut und Boden" manchmal nicht weit entfernt:
Wenn ich schon Wurzeln haben soll, dann sind sie da, wo ich bin, nicht da, wo ich einmal gewesen bin.
Aber vielleicht sagen sie ja, meine Wurzeln seien woanders, weil sie mich hier nicht haben wollen?
24.1.19
6.1.19
Die Weisen aus dem Morgenland
Matthäus 2,1 Als Jesus in Betlehem in
Judäa zur Zeit des Königs Herodes zur Welt gekommen war, da kamen Sterndeuter
aus dem Morgenland nach Jerusalem 2 und fragten: Wo ist der neugeborene König
der Juden? Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, ihm zu
huldigen. 3 Als der König Herodes davon hörte, geriet er in Aufregung und ganz
Jerusalem mit ihm. 4 Und er liess alle Hohen Priester und Schriftgelehrten des
Volkes zusammenkommen und erkundigte sich bei ihnen, wo der Messias geboren
werden solle. 5 Sie antworteten ihm: In Betlehem in Judäa, denn so steht es
durch den Propheten geschrieben:
6 Und du, Betlehem, Land
Juda, bist keineswegs die geringste unter den Fürstenstädten Judas; denn aus
dir wird ein Fürst hervorgehen, der mein Volk Israel weiden wird.
7 Darauf rief Herodes die
Sterndeuter heimlich zu sich und wollte von ihnen genau erfahren, wann der
Stern erschienen sei. 8 Und er schickte sie nach Betlehem mit den Worten: Geht
und forscht nach dem Kind! Sobald ihr es gefunden habt, meldet es mir, damit
auch ich hingehen und ihm huldigen kann. 9 Auf das Wort des Königs hin machten
sie sich auf den Weg, und siehe da: Der Stern, den sie hatten aufgehen sehen,
zog vor ihnen her, bis er über dem Ort stehen blieb, wo das Kind war. 10 Als
sie den Stern sahen, überkam sie grosse Freude. 11 Und sie gingen ins Haus
hinein und sahen das Kind mit Maria, seiner Mutter; sie fielen vor ihm nieder
und huldigten ihm, öffneten ihre Schatztruhen und brachten ihm Geschenke dar:
Gold, Weihrauch und Myrrhe. 12 Weil aber ein Traum sie angewiesen hatte, nicht
zu Herodes zurückzukehren, zogen sie auf einem anderen Weg heim in ihr Land.
13 Als sie aber fortgezogen
waren, da erscheint dem Josef ein Engel des Herrn im Traum und spricht: Steh
auf, nimm das Kind und seine Mutter, flieh nach Ägypten und bleib dort, bis ich
dir Bescheid sage! Denn Herodes wird das Kind suchen, um es umzubringen. 14 Da
stand er auf in der Nacht, nahm das Kind und seine Mutter und zog fort nach
Ägypten. 15 Dort blieb er bis zum Tod des Herodes; so sollte in Erfüllung
gehen, was der Herr durch den Propheten gesagt hat: Aus Ägypten habe ich meinen
Sohn gerufen.
16 Als Herodes nun sah, dass
er von den Sterndeutern hintergangen worden war, geriet er in Zorn und liess in
Betlehem und der ganzen Umgebung alle Knaben bis zum Alter von zwei Jahren
umbringen, entsprechend der Zeit, die er von den Sterndeutern erfragt hatte. 17
Da ging in Erfüllung, was durch den Propheten Jeremia gesagt ist:
18 Ein Geschrei war zu hören
in Rama, lautes Weinen und Wehklagen, Rahel weinte um ihre Kinder und wollte
sich nicht trösten lassen, denn da sind keine mehr.
19 Als Herodes gestorben war,
da erscheint dem Josef in Ägypten ein Engel des Herrn im Traum 20 und spricht:
Steh auf, nimm das Kind und seine Mutter und geh ins Land Israel. Denn die dem
Kind nach dem Leben trachteten, sind tot. 21 Da stand er auf, nahm das Kind und
seine Mutter und zog ins Land Israel.
22 Als er aber hörte, dass
Archelaus anstelle seines Vaters Herodes König geworden war über Judäa,
fürchtete er sich, dorthin zu gehen. Weil aber ein Traum ihn angewiesen hatte,
zog er sich in die Gegend von Galiläa zurück 23 und liess sich in einer Stadt
namens Nazaret nieder; so sollte in Erfüllung gehen, was durch die Propheten
gesagt ist: Er wird Nazarener genannt werden.
***
Wahrscheinlich haben Sie die Geschichte vom
Besuch der Weisen aus dem Morgenland etwas anders in Erinnerung gehabt, als sie
in der Bibel steht. Von Königen ist in der Bibel nicht die Rede, sondern von
Weisen oder Sterndeutern, griechisch „magoi“. Ihre Namen werden in der Bibel
nicht genannt. Es wird auch nicht gesagt, wie viele es waren. Aus den drei
Geschenken Gold, Weihrauch und Myrrhe hat man darauf geschlossen, dass es drei
gewesen sind. Und sie kommen in der Bibel auch nicht zu einem Stall, in dem der
kleine Jesus in einer Futterkrippe liegt, sondern zum Haus von Maria und Joseph
in Betlehem. Nach dem Matthäusevangelium waren sie nämlich dort ansässig. Nach
der Geburt Jesu mussten sie nach Ägypten fliehen und siedelten sich dann in
Nazareth in Galiläa an. Im Lukasevangelium, dessen Weihnachtsgeschichte uns
vertrauter ist, waren Maria und Joseph dagegen schon vor der Geburt Jesu in
Nazareth ansässig und mussten wegen einer Volkszählung nach Bethlehem ziehen.
Diese Volkszählung fand nach unserem heutigen Wissensstand im Jahr 6 oder 7
nach Christus statt. Nach dem Matthäusevangelium wurde Jesus aber noch unter
der Herrschaft Herodes „des Grossen“ geboren, der im Jahr 4 vor Christus
gestorben ist.
Man sieht an diesen Widersprüchen zwischen
den Geschichten von der Geburt und Kindheit Jesu bei Matthäus und Lukas, dass
es sich hierbei um mehr oder weniger frei erfundene Legenden handelt. Markus
und Johannes und auch die übrigen Schriften des Neuen Testaments wissen von
alldem nichts zu berichten. Eine Reihe von späteren Evangelien, die nicht in
die Bibel aufgenommen wurden, erzählen dagegen noch viel mehr Geschichten über
die Zeichen und Wunder, mit denen die Kindheit und Jugend von Jesus verbunden
war.
Zum Beispiel das sogenannte
Kindheitsevangelium des Thomas. Da spielt der fünfjährige Jesus, nachdem es
geregnet hatte, am Übergang eines Baches. Er leitete das vorbeifliessende
Wasser in Teiche um und liess es klar werden – und das alles, ohne seine Hände
einzusetzen, allein durch das Wort. Aus weichem Lehm formte er zwölf Sperlinge.
Er klatschte in die Hände, da breiteten sie ihre Flügel aus und flogen
zwitschernd davon. Wenn ihn Kinder störten oder Erwachsene – besonders Lehrer –
ärgerten, konnte er sie schon einmal mit Blindheit schlagen oder tot umfallen
lassen – später aber auch wieder heilen und wieder auferwecken. Als einmal ein
Kind beim Spielen vom Dach fiel und starb, liess Jesus ihn wieder auferstehen,
und als sich ein junger Mann beim Holhacken den Fuss spaltete, heilte Jesus
ihn. Im Alter von acht Jahren half Jesus einmal seinem Vater Joseph bei der
Aussaat. Jesus säte nur ein einziges Weizenkorn aus – und erntete davon etwa
400 Liter Getreide.
Wie kamen die Christen dazu, sich solche
Geschichten über Jesus auszudenken? Wahrscheinlich dachten sie, dass ein später
so bedeutender Mensch wie Jesus schon in seiner Kindheit irgendwie aufgefallen
sein musste. Vielen Herrschern und Berühmtheiten der Antike hat man später
solche spektakulären Kindheitsgeschichten angedichtet. Man kann aber fragen, ob
solche Geschichten dem entsprechen, was Jesus später als erwachsener Mann
vertreten hat, was er gelehrt und gelebt hat. Sicher, Jesus wurde als
Wundertäter verehrt, aber doch als einer, der Menschen geheilt und ihnen
geholfen hat, nicht als einer, der Menschen durch seine Wundertaten eingeschüchtert
hat. Jesus hat nicht versucht, Menschen durch Macht und Gewalt zu überzeugen,
sondern durch Liebe und Freundlichkeit. Er hat sie gelehrt, auf Rache zu
verzichten und den Mächtigen und Brutalen mutig und ohne Gewalt entgegen zu
treten. Er hat sich foltern und kreuzigen lassen, um seine Freunde und
Nachfolger zu schützen.
Im Vergleich zu den Geschichten über Jesus im
Kindheitsevangelium des Thomas passen die Kindheitsgeschichten des
Matthäusevangeliums besser zu dem, was später aus Jesus wurde. Sie sagen, dass
sich in Jesus die messianischen Verheissungen der Heiligen Schriften erfüllt
haben, die Verheissungen eines endzeitlichen Königs, der Israel von der
Herrschaft fremder Völker befreien wird, der für Gerechtigkeit, Frieden und
Wohlstand sorgt, in dessen Reich die Völker ihre Schwerter zu Pflugscharen
umschmieden und selbst Wölfe und Lämmer in Frieden zusammen leben. Matthäus war
davon überzeugt, dass Jesus diese Verheissungen erfüllt hat – aber anders als
man sich das gemeinhin vorgestellt hatte: nicht als Herrscher mit politischer
Macht, sondern als Lehrer, als Heiler, als Tröster, als Visionär, als einer,
der Menschen an einem Tisch zusammengebracht und mit ihnen gefeiert hat, die
eigentlich nichts miteinander zu tun haben wollten.
An den Sterndeutern aus dem Morgenland zeigt
sich auf eine fast schon satirische Weise, wie Jesus die Erwartungen und
Hoffnungen der Menschen zugleich erfüllt und enttäuscht hat. Im antiken Orient
waren Sterndeuter hoch angesehene Gelehrte. Ihre Aufgabe war es, den Himmel zu
beobachten und auf besondere Himmelserscheinungen zu achten. Man meinte
nämlich, dass die Götter mit solchen Zeichen den Menschen Hinweise auf drohende
Gefahren gaben oder auch auf günstige Gelegenheiten. Es gab umfangreiche
Handbücher der Sterndeutung, aus denen man entnehmen konnte, was eine
ungewöhnliche Himmelserscheinung bedeuten könnte. Aufgrund ihrer Beobachtungen,
ihrer Kenntnisse und ihrer Fähigkeiten kamen die Sterndeuter zu dem Schluss,
dass in Judäa ein Kind geboren worden war, das einmal König werden sollte. Sie
begaben sich also mit wertvollen Geschenken, Gold, Weihrauch und Myrrhe, zum
Königshof von Judäa. Doch dort wusste man nichts von einem neugeborenen König.
Der Stern führte die Sterndeuter zu einem
ganz normalen Wohnhaus in Betlehem, wo ein ganz normales Ehepaar ein ganz
normales Kind zur Welt gebracht hatte. Sie erwiesen der Familie ihre
Ehrerbietung und lieferten ihre Geschenke ab. Was mag ihnen dabei durch den
Kopf gegangen sein? Dass der Stern sie an der Nase herum geführt hatte? Dass
dieses Kind einmal den judäischen Thron usurpieren würde? Je genauer man sich
diese Szene der Anbetung der Könige vorstellt, desto mehr macht sie einen etwas
komischen Eindruck, finde ich.
Doch das Lachen bleibt einem im Hals stecken,
denn diese Szene bringt Jesus und seine Familie und alle männlichen Babies und
Kleinkinder in Betlehem in akute Lebensgefahr, denn was die Sterndeuter ihm
erzählt haben, versetzt den judäischen König Herodes in helle Aufregung. Aus
Angst vor einem künftigen Konkurrenten richtet er unter den Knaben in Betlehem
ein Gemetzel an. Auch diese Geschichte ist wohl erfunden, nach dem Vorbild des
vom Pharao befohlenen Kindermords in Ägypten, aus dem Mose einst auf wunderbare
Weise gerettet wurde. Jesus wird so zu einer Art neuer Mose – und seine Familie
zu Flüchtlingen, die schliesslich in Galiläa eine neue Heimat finden.
Auch wenn die Geschichte vom Kindermord des
Herodes wohl eine Legende ist – sie wäre Herodes durchaus zuzutrauen. Er hat
während seiner Herrschaft über Judäa von 47 bis 4 vor Christus viel Gutes für
sein Volk getan, ist aber zugleich auch über Leichen gegangen, wenn er den
Verdacht hatte, dass Menschen seine Herrschaft bedrohen. 29
v. Chr. liess er seine Frau Mariamne hinrichten, im Jahr darauf auch seinen
Schwager Kostobaros wegen einer Verschwörung. 7 v. Chr. wurden zwei Söhne
Herodes von ihm des Hochverrats angeklagt und hingerichtet, zwei Jahre später
ein weiterer Sohn, den er zuvor zum Thronfolger bestimmt hatte. 6 v. Chr. ging
Herodes mit grosser Härte gegen Pharisäer vor, die das Ende seiner Herrschaft
prophezeit hatten.
In der Geschichte von den Sterndeutern aus
dem Morgenland verkörpert Herodes das brutale Gesicht menschlicher Macht, die
von Jesus demaskiert und unterlaufen wird. Die Macht des Herodes stösst an ihre
Grenzen bei einem wehrlosen Baby. Herodes‘ Herrschaft ist bald zu Ende. Er
stirbt nach einer langen, schmerzhaften und ekelerregenden Krankheit. Von
seinen Bauwerken sind heute nur noch Ruinen übrig. Jesus dagegen hat die Welt
verändert – zum Besseren, darf man wohl sagen, auch wenn seine selbsternannten
Nachfolger oft nicht den Versuchungen der Macht, des Reichtums und der
Ruhmsucht widerstehen konnten und die Sache Jesu leider viel zu oft mit
gewalttätigen Aktionen oder durch politischen Opportunimus verraten haben.
***
Eine moderne Variante der Geschichte von den Weisen
aus dem Morgenland stammt von Wolfgang Borchert und spielt in
Deutschland kurz nach dem Ende des zweiten Weltkriegs – eine Zeit in der die
Menschen in Deutschland in den Trümmern des Grössenwahns ihrer Regierung froren
und hungerten:
Die drei dunklen Könige
Er tappte durch die dunkle
Vorstadt. Die Häuser standen abgebrochen gegen den Himmel. Der Mond fehlte und
das Pflaster war erschrocken über den späten Schritt. Dann fand er eine alte
Planke. Da trat er mit dem Fuß gegen, bis eine Latte morsch aufseufzte und
losbrach. Das Holz roch mürbe und süß. Durch die dunkle Vorstadt tappte er
zurück. Sterne waren nicht da.
Als er die Tür aufmachte
(sie weinte dabei, die Tür), sahen ihm die blaßblauen Augen seiner Frau
entgegen. Sie kamen aus einem müden Gesicht. Ihr Atem hing weiß im Zimmer, so
kalt war es. Er beugte sein knochiges Knie und brach das Holz. Das Holz
seufzte. Dann roch es mürbe und süß ringsum. Er hielt sich ein Stück davon
unter die Nase. Riecht beinahe wie Kuchen, lachte er leise. Nicht, sagten die
Augen der Frau, nicht lachen. Er schläft.
Der Mann legte das süße
mürbe Holz in den kleinen Blechofen. Da glomm es auf und warf eine Handvoll
warmes Licht durch das Zimmer. Die fiel hell auf ein winziges rundes Gesicht
und blieb einen Augenblick. Das Gesicht war erst eine Stunde alt, aber es hatte
schon alles, was dazugehört: Ohren, Nase, Mund und Augen. Die Augen mußten groß
sein, das konnte man sehen, obgleich sie zu waren. Aber der Mund war offen und
es pustete leise daraus. Nase und Ohren waren rot. Er lebt, dachte die Mutter.
Und das kleine Gesicht schlief.
Da sind noch Haferflocken,
sagte der Mann. Ja, antwortete die Frau, das ist gut. Es ist kalt. Der Mann
nahm noch von dem süßen weichen Holz. Nun hat sie ihr Kind gekriegt und muß
frieren, dachte er. Aber er hatte keinen, dem er dafür die Fäuste ins Gesicht
schlagen konnte. Als er die Ofentür aufmachte, fiel wieder eine Handvoll Licht
über das schlafende Gesicht. Die Frau sagte leise: Kuck, wie ein
Heiligenschein, siehst du? Heiligenschein! dachte er und er hatte keinen, dem
er die Fäuste ins Gesicht schlagen konnte.
Dann waren welche an der
Tür. Wir sahen das Licht, sagten sie, vom Fenster. Wir wollen uns zehn Minuten
hinsetzen.
Aber wir haben ein Kind,
sagte der Mann zu ihnen. Da sagten sie nichts weiter, aber sie kamen doch ins
Zimmer, stießen Nebel aus den Nasen und hoben die Füße hoch. Wir sind ganz
leise, flüsterten sie und hoben die Füße hoch. Dann fiel das Licht auf sie.
Drei waren es. In drei alten
Uniformen. Einer hatte einen Pappkarton, einer einen Sack. Und der dritte hatte
keine Hände. Erfroren, sagte er, und hielt die Stümpfe hoch. Dann drehte er dem
Mann die Manteltasche hin. Tabak war darin und dünnes Papier. Sie drehten
Zigaretten. Aber die Frau sagte: Nicht, das Kind.
Da gingen die vier vor die
Tür und ihre Zigaretten waren vier Punkte in der Nacht. Der eine hatte dicke
umwickelte Füße. Er nahm ein Stück Holz aus seinem Sack. Ein Esel, sagte er,
ich habe sieben Monate daran geschnitzt. Für das Kind. Das sagte er und gab es
dem Mann. Was ist mit den Füßen? fragte der Mann. Wasser, sagte der
Eselschnitzer, vom Hunger. Und der andere, der dritte? fragte der Mann und
befühlte im Dunkeln den Esel. Der dritte zitterte in seiner Uniform: Oh,
nichts, wisperte er, das sind nur die Nerven. Man hat eben zuviel Angst gehabt.
Dann traten sie die Zigaretten aus und gingen wieder hinein.
Sie hoben die Füße hoch und
sahen auf das kleine schlafende Gesicht. Der Zitternde nahm aus seinem
Pappkarton zwei gelbe Bonbons und sagte dazu: Für die Frau sind die.
Die Frau machte die blassen
blauen Augen weit auf, als sie die drei Dunklen über das Kind gebeugt sah. Sie
fürchtete sich. Aber da stemmte das Kind seine Beine gegen ihre Brust und
schrie so kräftig, daß die drei Dunklen die Füße aufhoben und zur Tür schlichen.
Hier nickten sie nochmal, dann stiegen sie in die Nacht hinein.
Der Mann sah ihnen nach.
Sonderbare Heilige, sagte er zu seiner Frau. Dann machte er die Tür zu. Schöne
Heilige sind das, brummte er und sah nach den Haferflocken. Aber er hatte kein
Gesicht für seine Fäuste.
Aber das Kind hat geschrien,
flüsterte die Frau, ganz stark hat es geschrien. Da sind sie gegangen. Kuck
mal, wie lebendig es ist, sagte sie stolz. Das Gesicht machte den Mund auf und
schrie.
Weint er? fragte der Mann.
Nein, ich glaube, er lacht,
antwortete die Frau.
Beinahe wie Kuchen, sagte
der Mann und roch an dem Holz, wie Kuchen. Ganz süß.
Heute ist ja auch
Weihnachten, sagte die Frau.
Ja, Weihnachten, brummte er
und vom Ofen her fiel eine Handvoll Licht hell auf das kleine schlafende
Gesicht.
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