Markus 8,35: Wer sein
Leben retten will, wird es verlieren,
wer aber sein Leben verliert um meinetwillen und um des Evangeliums willen, wird es retten.
wer aber sein Leben verliert um meinetwillen und um des Evangeliums willen, wird es retten.
Matthäus 16,25: Wer sein Leben retten will, wird es verlieren;
wer aber sein Leben verliert um meinetwillen, wird es finden.
Lukas 9,24: Wer sein
Leben retten will, wird es verlieren;
wer aber sein Leben verliert um meinetwillen, wird es retten.
wer aber sein Leben verliert um meinetwillen, wird es retten.
An diesen drei Stellen geht es – wie der Kontext zeigt – darum, dass man bereit sein soll, als Märtyrer
für Jesus und für das Evangelium zu sterben (sein Kreuz auf sich zu nehmen und Jesus nachzufolgen). Wenn man das tut, wird es einem beim jüngsten
Gericht vom Menschensohn (vgl. Daniel
7), womit im jetzigen Textzusammenhang wohl Jesus gemeint ist, gelohnt werden.
An allen drei Stellen heißt es direkt nach den zitierten
Aussagen über das Retten und Verlieren des Lebens:
Was hilft es dem
Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt,
dabei aber Schaden nimmt an seinem Leben (bzw. an seiner Seele oder an sich selbst)?
dabei aber Schaden nimmt an seinem Leben (bzw. an seiner Seele oder an sich selbst)?
Damit wird bekräftigt, dass kein möglicher irdischer Gewinn –
nicht einmal der Gewinn der ganzen Welt – es wert wäre, dafür sich selbst,
seine Seele oder sein Leben zu beschädigen – sprich: die Aussicht auf ein
ewiges Leben nach dem Tod zu gefährden.
Bei Markus und Matthäus heißt es dann noch:
Was kann einer dann
geben als Gegenwert für sein Leben?
Das erinnert an Psalm 49,8ff.:
Niemals kann einer den
andern loskaufen,
keiner kann sich freikaufen bei Gott –
zu hoch ist der Preis für ihr Leben,
für immer muss er es lassen –,
damit er weiter lebt auf ewig
die Grube nicht sehen muss.
keiner kann sich freikaufen bei Gott –
zu hoch ist der Preis für ihr Leben,
für immer muss er es lassen –,
damit er weiter lebt auf ewig
die Grube nicht sehen muss.
Psalm 49 sagt das zum Trost für einen Menschen, der sich vom
Frevel seiner tückischen Feinde umgeben fühlt (Vers 6). Auch wenn ihre
Rücksichtslosigkeit und Skrupellosigkeit sie reich macht: Vom Tod werden sie
sich nicht freikaufen können, und ihren Reichtum werden sie nicht in die
Unterwelt mitnehmen können. Dagegen kann ihr armes, aber anständiges Opfer
darauf hoffen, von Gott aus der Unterwelt gerettet zu werden (Vers 18):
Gott wird mein Leben
loskaufen,
aus der Gewalt des Totenreichs wird er mich nehmen.
aus der Gewalt des Totenreichs wird er mich nehmen.
Markus 8 und Matthäus 16 übertragen diese Gedanken aus Psalm
49 (vgl. auch Psalm 73) – einer der wenigen Stellen in der Hebräischen Bibel,
an denen mit einem Leben nach dem Tod gerechnet wird – auf die Situation der Nachfolger Jesu. Sie sollen sich nicht
an ihr irdisches Leben und an weltliche Güter klammern, sondern zusehen, dass
sie sich für das Leben nach dem Tod qualifizieren.
Nun kann man allerdings fragen, ob die Texte damit nicht
einer Lebenshaltung Vorschub leisten, der es am Ende doch wieder nur darum geht,
sein Leben zu retten und einen möglichst großen Gewinn zu machen: Man gibt sein
irdisches Leben hin und verzichtet auf weltlichen Gewinn – aber nur, um sich nach
dem Tod das ewige Leben zu sichern. Nun sagen die Texte allerdings nicht: Wer sein irdisches Leben um der Hoffnung auf ein ewiges Leben willen verliert, der wird das ewige Leben finden. Was sie sagen, ist: Wer sein Leben verliert um meinetwillen (und
um des Evangeliums willen), wird es
retten (bzw. finden). Es geht also nicht um den Einsatz des
irdischen Lebens für das ewige Leben nach dem Tod, sondern es geht um den
Einsatz des Lebens für Jesus und für das Evangelium – und dieser Einsatz wäre
nicht echt, wenn er mit einem berechnenden Schielen auf einen als Belohnung
erhofften Gewinn erbracht würde. Trotzdem können die Texte leicht in dem Sinn
missverstanden werden, dass sie zu einer frommen Lebenshingabe aufrufen, deren
Ziel und Motiv ein ewiges Leben nach dem Tod ist.
Vor diesem Missverständnis scheint auch Johannes 12,25 nicht
gefeit zu sein:
Wer sein Leben
(psychē) liebt, verliert es;
und wer sein Leben (psychē) in dieser Welt hasst, wird es bewahren ins ewige Leben (zoē).
und wer sein Leben (psychē) in dieser Welt hasst, wird es bewahren ins ewige Leben (zoē).
Im Kontext geht es hier nicht nur um die Bereitschaft, sein
Leben als Märtyrer für Jesus und das Evangelium hinzugeben, sondern um die
Grundhaltung zum Leben und zu sich selbst in
dieser Welt – wobei hassen im
Deutschen vielleicht etwas schärfer klingt als es im Griechischen (mit der
Sprache der Hebräischen Bibel im Hintergrund) gemeint war (nicht lieben).
Es geht hier auch nicht einfach darum, sein Leben, seine
Seele oder sich selbst zu verlieren oder zu bewahren (retten) bzw. wieder zu
gewinnen (finden), sondern darum, sein Leben
(bzw. seine Seele bzw. sich selbst – griechisch: psychē) in dieser Welt hinter sich zu lassen und in eine neue Art von
Leben, das ewige Leben (griechisch zoe aionios), zu überführen – wobei dieses
ewige Leben nach dem Verständnis des Johannesevangeliums
nicht erst mit dem Tod beginnt, sondern schon vorher (vgl. z.B. Johannes 5,24).
Wie radikal man sich die Verwandlung vorstellen muss, von
der hier die Rede ist, macht der unmittelbar vorhergehende Vers (Johannes 12,24)
deutlich:
Wenn das Weizenkorn
nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein;
wenn es aber stirbt, bringt es viel Frucht.
wenn es aber stirbt, bringt es viel Frucht.
Dem Weizenkorn ist in keiner Weise anzusehen, was aus ihm
wird, nachdem es in die Erde gefallen und gestorben
ist. Und die Pflanze, die aus dem Weizenkorn entsteht, hat keinerlei
Ähnlichkeit mit einem Weizenkorn (allerdings bringt sie selber dann wieder neue
Weizenkörner hervor – hier zeigen sich die Grenzen des Vergleichs). So soll man
sich nach Johannes 12 den Übergang vom Leben in dieser Welt zum ewigen Leben
vorstellen (vgl. dazu auch 1.Korinther 15,35ff.). Ewiges Leben ist nicht eine Verlängerung des irdischen Lebens über
den Tod heraus (oder eine Wiederbelebung des Menschen nach dem Tod), sondern
eine radikale Verwandlung des Lebens, die vor dem Tod beginnt und im Tod zur
Vollendung kommt, weil seine Verbindung zu dieser
Welt durch den Tod endgültig abgeschnitten wird.
Die kürzeste Version der Aussage über Verlust und Bewahrung
des Lebens bzw. Selbstverlust und Selbstfindung steht in Lukas 17,33:
Wer sein Leben/seine
Seele/sich selbst zu bewahren versucht, wird es/sie/sich verlieren,
und wer es/sie/sich verliert, wird es/sie/sich lebendig erhalten.
und wer es/sie/sich verliert, wird es/sie/sich lebendig erhalten.
Im Kontext geht es um die Endzeit, für die Katastrophen
vorhergesagt werden, die in ihrem Ausmaß der Sintflut oder der Zerstörung
Sodoms durch einen Feuer- und Schwefelregen ähneln werden. In diesem
Zusammenhang kann man Vers 33 als Ermahnung und Ermutigung verstehen, sich in
solchen apokalyptischen Katastrophen nicht an sein irdisches Leben zu klammern,
sondern in Erwartung des ewigen Lebens bereit zu sein, zu sterben.
Für sich allein gelesen, eröffnet der Vers aber auch eine
Einsicht über das menschliche Leben, die vom Endzeitszenario, in das er jetzt
eingebettet ist, unabhängig ist und das Leben vor dem Tod betrifft: Wer sich
ausschließlich oder vorrangig darum kümmert, sich selbst zu erhalten, zu
schützen und zu fördern, wird damit langfristig scheitern – denn früher oder
später wird er sterben und damit sein Leben, seine Seele, sich selbst
verlieren. Noch mehr: Er wird damit sich selbst und sein Leben verfehlen, weil
er schon vor dem Tod ständig von der Angst vor dem Tod getrieben ist, sodass
sein Leben schon vor dem Tod ganz und gar vom Tod bestimmt und erstickt wird.
Wer dagegen die Sorge um sein Leben aufgibt, sich hingibt an die
Herausforderungen des Lebens, sich verliert in der Liebe zu anderen Menschen,
der bleibt lebendig – wandelbar, verletzbar, sterblich –, dessen Leben wird
durch den Tod nicht widerlegt, sondern vollendet, der muss keine Angst haben
vor dem Tod, sich nicht schon vor dem Tod vom Tod bestimmen lassen. Er kommt
gar nicht mehr in die Versuchung, zu kalkulieren, ob er für den Einsatz seines
irdischen Lebens das ewige Leben bekommt, denn er ist schon hinübergegangen aus dem Tod in das Leben
(Johannes 5,24).