26.1.13

Ein Ehrenplatz im Jenseits?

Als einige seiner Jünger Jesus darum baten, am Tisch auf den Ehrenplätzen neben ihm sitzen zu dürfen, antwortete er ihnen:

Die Herrscher der Völker, ihre Großen, unterdrücken ihre Leute und lassen sie ihre Macht spüren. Bei euch muss es anders sein! Wer von euch groß sein will, soll euer Diener sein, und wer der Erste sein will, soll allen anderen Sklavendienste leisten. (Markus 10,42-22)

Wie oft, konfrontiert Jesus seine Jünger mit einer paradoxen Forderung. Er sagt nicht: Ihr sollt nicht größer und besser sein wollen als die anderen. Er akzeptiert, dass einige (anscheinend keineswegs alle!) den Wunsch haben, besser zu sein als die anderen. Aber er ändert den Maßstab und damit das Ziel und die Gestalt des Wettbewerbs. Groß ist nicht, wer anderen seinen (oder ihren) Willen aufzwingen kann und sie von sich abhängig macht. Groß ist, wer merkt, wo andere ihn (oder sie) brauchen, wie er ihnen helfen kann - und das dann auch tut. Der Spitzenplatz ist nicht "ganz oben", sondern "ganz unten", nicht direkt neben Jesus, sondern bei denen, die ganz weit weg von ihm sind.



Wenn die Jünger davon sprechen, dass sie neben Jesus "in seiner Herrlichkeit" sitzen wollen, wie es bei Markus heißt, geht es ihnen bei ihrer Bitte nicht um die Gegenwart, sondern um die Zukunft. Allem Anschein nach erwarten sie, dass Jesus - anders als in ihrer Gegenwart - einmal "in Herrlichkeit" auftreten werde, sei es als König eines irdischen Gottesreichs oder im Jenseits, in einer neuen Welt.

Aber Jesus hat keine Ehrenplätze im Jenseits zu vergeben - nicht einmal Eintrittskarten in ein Leben nach dem Tod. Christ sein heißt nicht, nach einem Ehrenplatz im Jenseits zu streben, auch nicht, danach zu streben, Jesus möglichst nahe zu sein. Es heißt, sich von ihm dafür gewinnen zu lassen, den Menschen zu dienen - und auszusteigen aus dem Wettstreit um Grösse und Macht und die ersten Plätze.