25.6.13

Glauben als Vertrauen oder Für-Wahr-Halten

Wenn wir heute jemanden fragen: “Glaubst du an Gott?” meinen wir damit gewöhnlich: “Glaubst du, dass es einen Gott gibt?” Dass es einen Gott (oder mehrere Götter) gibt, war in der Antike (zur Zeit, als das Neue Testament geschrieben wurde) weithin selbstverständlich. Die Frage war, wie der Gott (bzw. die Götter) sich zur Welt und den Menschen verhalten. 

Hat Gott die Welt und die Menschen geschaffen und dann sich selbst überlassen? Hat er das Interesse an der Welt und den Menschen verloren? Oder überlässt er sie für eine Weile sich selbst, um ihnen dann eines Tages (beim “Jüngsten Gericht”) die Abrechnung zu präsentieren und die Guten zu belohnen, die Schlechten aber zu bestrafen? Oder lenkt Gott doch heimlich die Welt und die Menschen? Hat er etwa gar schon am Anfang der Welt in allen Einzelheiten festgelegt, wie sie sich bis zum Ende verändern und entwickeln wird? Ist Gott willkürlich und unberechenbar? Muss man ihn fürchten oder Angst vor ihm haben?


Oder kann man darauf vertrauen, dass Gott es gut mit uns meint? Dass er bereit ist, Schuld zu vergeben? Dass er die Welt zu einer gerechten Welt und die Menschen zu gerechten und liebevollen Wesen umformen will? Dass er unmögliches möglich machen kann und wieder findet, was verloren gegangen ist?


Letzteres ist v.a. gemeint, wenn im Neuen Testament vom “Glauben” an Gott die Rede ist. Natürlich schloss dieser Glauben auch die Überzeugung ein, dass es Gott gibt. Aber sie stand nicht im Vordergrund, weil sie mehr oder weniger selbstverständlich von fast allen geteilt wurde.


Heute dagegen sind viele Menschen Atheisten oder Agnostiker: Sie bestreiten dass es einen Gott gibt oder bezweifeln, dass wir genug wissen, um entscheiden zu können, ob es einen Gott gibt oder nicht. Müssen diese Menschen erst einmal davon überzeugt werden, dass es einen Gott gibt, damit sie ihm dann vertrauen können? Oder kann man das, worum es im Neuen Testament ging, wenn vom Glauben an Gott als Vertrauen auf ihn die Rede war, heute zur Geltung bringen, ohne voraussetzen zu müssen, dass es einen Gott gibt?


Vielleicht würde Jesus heute sagen: Du kannst dem Leben vertrauen. Du kannst frei werden von den Verstrickungen in Schuld (oder Sünde). Du musst Dir und anderen nichts vormachen über Deine Fehler und Schwächen. Du musst Dich nicht abfinden mit dem, was ist, nur weil es immer schon so gewesen ist. Du musst nicht verzweifeln, wenn Du nicht so bist, wie Du sein solltest und sein willst, und wenn Dir die Kraft fehlt, Dich zu ändern. Es kann passieren, dass ein Erlebnis Dich verändert, ein Mensch, der Dir begegnet, eine Gemeinschaft, die neue Wege geht, dass Du ein anderer Mensch wirst, ganz unverhofft, plötzlich oder allmählich.


Oder geht dem Evangelium etwas Wesentliches verloren, wenn nicht mehr von Gott die Rede ist? Was könnte das sein? Vielleicht, dass wir manchmal eine Kraft spüren, einen moralischen Anspruch, ein erlösendes Wort, hinter denen einfach mehr zu stecken scheint als “nur” ein Mensch oder etwas in der Welt. Vielleicht, dass es in der Welt so viel Enttäuschungen und so viel Hoffnungslosigkeit gibt, dass irgendwann nur noch etwas (oder jemand) jenseits der Welt unserem Vertrauen Halt geben kann?


Müssen/sollen wir “an einen Gott glauben, den es nicht gibt” (Klaas Hendrikse)?


“Wenn es Gott nicht gäbe, müsste man ihn erfinden.” (Voltaire)


“Wenn Gott heute leben würde, wäre er Atheist.” (Kurt Vonnegut)