1.8.13

Transhumanismus



So genannte Transhumanisten sind der Meinung, die Menschen sollten sich auch durch den Einsatz technischer Mittel weiter entwickeln. So könnten Menschen mit medizinischen, biologischen, mechanischen oder elektronischen Mitteln ihren Körper aber auch ihre geistig-seelischen Fähigkeiten verbessern. Diese Ansicht wirft eine Reihe von interessanten Fragen auf.

Angenommen, ich verändere nach und nach meinen Körper, ersetze also nach und nach meine Knochen, Gelenke und Organe durch langlebigere und leistungsfähigere Produkte (und mein Gehirn durch einen Computer, der in meinem Fall wahrscheinlich nicht einmal besonders leistungsfähig sein muss ;-). Dann habe ich mich irgendwann zu einem besseren und langlebigeren, vielleicht sogar unsterblichen Menschen entwickelt.

Aber bin das dann noch ich? Und bin ich noch ein Mensch? Wie definieren wir die Identität einer Person und einer Gattung über Veränderungen hinweg?

Ein wichtiger Punkt ist wahrscheinlich die Beobachtbarkeit und Kontinuität der Veränderung. Wenn ich durch eine Tür gehe und mit einem Körper aus Metall wieder heraus komme, wird ein Beobachter wahrscheinlich vermuten, dass ich gegen einen Roboter ausgetauscht worden bin. Wenn der Beobachter hingegen zuschauen kann, wie die Teile meines Körpers Stück für Stück durch andere ersetzt werden, wird er vielleicht sagen, dass ich mich verändert habe oder dass ich zu einem Roboter geworden bin.

















Wie ist es, wenn ich durch eine Tür gehe und körperlich unverändert wieder heraus komme, aber meinen Bekannten, der zuschaut, nicht mehr erkenne, mich ihm mit einem anderen Namen vorstelle, mich an ganz andere Dinge erinnere, andere Vorlieben und Fähigkeiten habe und andere Ansichten vertrete als vorher? Dann würde der Beobachter wahrscheinlich zunächst denken, dass ich wieder aus der Tür heraus gekommen bin, aber dann zunehmend daran zweifeln, ob ich es wirklich bin oder ob es jemand ist, der mir nur sehr ähnlich sieht oder ob ich einer Gehirnwäsche unterzogen worden bin. Auch hier würde sich die Einschätzung durch den Beobachter vermutlich ändern, wenn er zusehen könnte, wie die mentale Veränderung bei mir herbeigeführt worden ist.

Aber auch wenn man den Prozess der Veränderung genau beobachten kann, kann es sein, dass man irgendwann einmal sagt: Das ist nicht mehr derselbe Mensch - oder vielleicht sogar: Das ist kein Mensch mehr. Doch wo genau der Punkt liegt, an dem sich die Identität auflöst, ist schwer zu sagen. Es scheint eine Sache der individuellen Einschätzung bzw. der sozialen Vereinbarung zu sein.

All diese Fragen stellen sich aber nicht nur im Blick auf den Transhumanismus, sondern auch im Blick auf die ganz "normalen" Veränderungen eines Menschen im Verlauf seines Lebens. Bin ich noch der, der ich als Kind war? (Eltern werden dazu neigen, das im Blick auf ihre Kinder zu bejahen ;-) Krankheiten aber auch körperliches Training oder mentales Lernen und Üben können "einen anderen Menschen aus mir machen". Wenn ich ein altes Foto von mir anschaue, sage ich vielleicht: Das war ich einmal, das bin ich nicht mehr. Oder sollte ich sagen: Dass ich einmal so gewesen bin, ist auch jetzt noch ein Teil von mir?

Wir kommen im Leben gar nicht darum herum uns zu verändern. Oft werden wir auch verändert durch Menschen, die uns begegnen, oder Ereignisse, die uns widerfahren. Manchmal stellen sich die Veränderungen, die uns ohne oder gegen unseren Willen widerfahren, rückblickend als Verbesserungen heraus, während uns manch ein Versuch, uns willentlich zu verbessern später als Verschlechterung erscheint. Wir wissen nicht immer, was das Beste für uns ist, und wir können uns nicht immer so ändern, wie wir gerne wollen.

Trotzdem müssen wir die Verantwortung dafür übernehmen, was wir aus uns machen. Grundsätzlich ist nicht einzusehen, warum wir uns nicht auch der Technik bedienen sollten, um uns zu verbessern, wenn das möglich ist und sinnvoll erscheint. Die Probleme, die sich dabei stellen, sind nicht grundsätzlich andere als bei herkömmlicheren Weisen der Veränderung. Sie treten aber hier vielleicht etwas deutlicher zu Tage.