In Flintbek bei Kiel haben Archäologen die ältesten Radspuren der Menschheit gefunden.
Süddeutsche Zeitung, 14./15. April 2022, Seite 14
In Flintbek bei Kiel haben Archäologen die ältesten Radspuren der Menschheit gefunden.
Süddeutsche Zeitung, 14./15. April 2022, Seite 14
https://www.nationalgeographic.de/tiere/2019/04/auch-tiere-haben-kultur
https://www.sueddeutsche.de/wissen/kultur-schimpansen-wale-fruchtfliegen-soziales-lernen-1.5260053
https://www.exlibris.ch/de/buecher-buch/deutschsprachige-buecher/carl-safina/die-kultur-der-wilden-tiere/id/9783406783265
Carl Safina, Die Kultur der wilden Tiere: Wie Wale Familien gründen, Papageien Schönsein lernen und Schimpansen Frieden schließen, München: C.H. Beck, 2022
Das Paradies ist relativ klein, verglichen mit der grossen, weiten Erde.
Nicht alle passen hinein - schon gar nicht alle, die schon tot oder noch nicht geboren sind.
Deshalb musste die Aufenthaltsdauer für die einzelnen Menschen begrenzt werden.
Wir bitten Sie deshalb, Ihren Platz für andere freizugeben, wenn Sie sich erholt haben.
Vielen Dank für Ihr Verständnis.
Oase bei Timioun, Algerien (Chettouh Nabil)
https://de.wikipedia.org/wiki/Oase#/media/Datei:Gourara_Ksar_Tindjillet.jpg
Georg Fischer schreibt in seinem großen (und großartigen) Kommentar zur biblischen Urgeschichte in Genesis 1-11 (in der Reihe Herders Biblischer Kommentar zum Alten Testament):
Die Schöpfungserzählung in Genesis 1 "präsentiert eine religiöse, spezifisch monotheistische Sicht des Universums". Sie "will und kann keine präzisen Detailangaben über seine faktische Entstehung machen." (Seite 169-170)
Wenn man die Geschichte unbefangen liest, hat man aber doch den starken Eindruck, dass sie - zumindest in den Grundzügen, aber z.B. mit recht genauen Zeitangaben - erzählen will, wie die Welt entstanden ist, nämlich durch verschiedene Schöpfungsakte eines Gottes.
Diese Sicht des Universums und seiner Entstehung erscheint heute, 2500 Jahre später, auch gläubigen Juden, Christen und Muslimen fragwürdig. Wahrscheinlich ist sie falsch. Aber sie bleibt natürlich eindrucksvoll und schön und inspirierend.
Man hört oft: Die Freiheit eines Menschen wird begrenzt durch die Freiheit seiner Mitmenschen. Das ist nicht falsch aber auch nicht ganz richtig.
So wie die Freiheit meiner Mitmenschen meine Freiheit begrenzt, so wird auch die Freiheit meiner Mitmenschen durch meine Freiheit begrenzt. Jeder muss sich selbst beschränken mit Rücksicht auf die anderen. Wo die Grenze ist, wenn zwei Freiheiten aufeinanderprallen, ergibt sich nicht von selbst. Es muss ausgehandelt oder sogar ausgefochten werden - und von Zeit zu Zeit korrigiert.
Und: Meine Mitmenschen begrenzen nicht nur meine Freiheit, sondern ermöglichen sie auch erst einmal. Auf mich alleine gestellt, hätte ich als Baby nicht überlebt, könnte ich nicht lesen und schreiben, mit dem Tram fahren und mit dem Handy telefonieren. Menschen kooperieren miteinander, um den Freiraum ihres Lebens, die Möglichkeiten, die sie haben, zu vergrössern.
Kooperation ist nur möglich, wenn sich alle einschränken und aufeinander Rücksicht nehmen. So sollte es jedenfalls sein. Leider verschaffen sich Menschen auch dadurch Freiheit, dass sie andere Menschen ausbeuten und unterdrücken.
Wenn ich schlafe, dann schlafe ich.
Wenn ich sitze, dann sitze ich.
Wenn ich gehe, dann gehe ich.
Und meistens denke ich beim Gehen in Ruhe über Dinge nach, die mich beschäftigen.
Dann gehe ich und denke nach.
Und manchmal träume ich, wenn ich schlafe.
Jetzt passiert immer Vieles gleichzeitig.
Achtsam sein: Darauf achten, was jetzt alles geschieht - und daran denken, was jetzt ganz woanders auf der Welt geschieht ... und was vorhin geschehen ist ... und was bald geschehen wird ...
Das alles auszublenden wäre ziemlich unachtsam, oder?
Lukas erzählt von Jesus' Geburt ...
Die Geschichten rund um die Geburt von Jesus in den ersten beiden Kapiteln des Lukasevangeliums sind wohl erst ein halbes Jahrhundert nach dem Tod von Jesus entstanden und mehr oder weniger frei erfunden. Trotzdem sind diese Geschichten interessant und lehrreich! Lassen wir uns einfach einmal auf sie ein, tauchen wir ein in die fremde und etwas seltsame Welt, die sie uns vor Augen stellen!
Ein revolutionäres Milieu ...
Es ist eine Welt, in der Engel Menschen erscheinen und ihnen Wunder
ankündigen.
Da sind der Priester Zacharias und seine Frau Elisabeth, ein kinderloses
altes Ehepaar. Elisabeth ist längst jenseits des gebärfähigen Alters. Eines
Tages erscheint ein Engel erscheint dem Zacharias im Tempel beim Gottesdienst
und spricht zu ihm: „Ihr werdet ein Kind bekommen. Es soll Johannes heissen (=
Jahwe ist gnädig / hat Erbarmen). Er wird wirken im Geist und in der Kraft des
Propheten Elija. Er wird dem Messias den Weg bereiten.“
Da ist Maria, verlobt, aber noch Jungfrau, wohl noch im Teenageralter. Zu
ihr kommt eines Tages der Engel Gabriel und spricht zu ihr: „Du wirst schwanger
werden und einen Sohn gebären. Du sollst ihm den Namen Jesus geben (= Josua =
Jahwe ist Rettung). Er wird gross sein und Sohn des Höchsten (Gottes) genannt
werden. Gott, der Herr, wird ihm den Thron seines Vaters David geben. Er wird
König sein über das Haus Jakob (= das Volk Israel) in Ewigkeit. Seine
Herrschaft wird kein Ende haben.“
Maria vertraut darauf, dass diese Ankündigungen sich erfüllen werden. In
ihrem Lobgesang spricht sie so, als hätten sie sich schon erfüllt: „Gott hat
Gewaltiges vollbracht mit seinem Arm. Er hat zerstreut, die hochmütig sind in
ihrem Herzen. Er hat Mächtige vom Thron gestürzt und Niedrige erhöht. Er hat
Hungrige satt gemacht mit Gutem und Reiche leer ausgehen lassen. Er hat sich
Israels angenommen, seines Dieners, wie er es unseren Vorfahren versprochen
hat, Abraham und seinen Nachkommen in Ewigkeit.“
Als Jesus gerade geboren ist, in einem Stall in Bethlehem, verkündet ein
Engel den Hirten, die in der Nähe bei ihren Schafen und Ziegen Nachtwache
hielten: „Euch wurde heute der Retter geboren, der Gesalbte (griechisch:
Christus, hebräisch: Messias), der Herr, in der Stadt Davids.“
Acht Tage später, als das Baby Jesus im Tempel in Jerusalem beschnitten
wird, kommt ein alter Mann namens Simon hinzu, dem Gott versprochen hat: „Du
wirst nicht sterben, bevor du den Messias gesehen hast.“ Simon nimmt den
kleinen Jesus auf die Arme und sagt: „Nun lässt du deinen Diener gehen, Herr,
in Frieden, wie du gesagt hast, denn meine Augen haben das Heil gesehen, das du
vor den Augen aller Völker bereitet hast, ein Licht zur Erleuchtung der Heiden
und zur Verherrlichung deines Volkes Israel.“
Schliesslich tritt auch noch eine ebenfalls hochbetagte Prophetin namens
Hanna auf und preist Gott und spricht von ihm zu allen, die auf die Erlösung
Jerusalems warteten.
Ein umstürzlerisches und revolutionäres Milieu ist es, in das Jesus da
hinein geboren wird. Schliesslich steht Jerusalem und das ganze Heilige Land
unter der Herrschaft der Römer und ihrer Vasallen wie z.B. Herodes Antipas in
Galiläa und Peräa. In Jerusalem und Judäa ist Pontius Pilatus Statthalter der
Römer. Nicht wenige Juden hoffen auf einen Umsturz oder mit versuchen sogar,
mit terroristischen Anschlägen einen Umsturz herbeizuführen und die römische
Besatzungsmacht aus ihrem Land zu vertreiben. Immer wieder treten Menschen als
Messias auf - und werden in der Regel irgendwann aufgespürt und zusammen mit ihren
Anhängern grausam hingerichtet, vorzugsweise gekreuzigt.
Wie wächst ein Kind auf, dessen Umfeld davon überzeugt ist, es sei der
Messias, es werde, wenn es gross ist, die Revolution Gottes durchführen, die
Mächtigen vom Thron stürzen, die Hungrigen satt machen, die Römer vertreiben?
Bringt man ihm schon als Kind bei, mit Waffen umzugehen und Attentate zu
verüben? Oder behält man seine Erwartungen für sich, um das Kind nicht zu
gefährden?
Wie ist es für ein Kind, aufzuwachsen unter der Erwartung, es sei etwas
ganz Besonderes, der Retter, der Erlöser, der künftige König Israels?
Hat Jesus als Erwachsener die Erwartungen und Hoffnungen seiner Mutter
erfüllt? Lesen wir weiter im Lukasevangelium!
Enttäuschte Hoffnungen?
Jesus spricht zu den Menschen davon, dass die Herrschaft Gottes, das
Reich Gottes „nahe gekommen“ ist. Aber wenn er das Reich Gottes mit
Gleichnissen beschreibt, klingt es nicht nach einem politischen Umsturz und
einer Vertreibung der Römer, sondern eher danach, dass Menschen wieder
zueinander finden, dass Menschen lernen, miteinander auszukommen, dass sie
lernen, was wirklich wichtig ist im Leben, und sich dafür einzusetzen.
Jesus heilt Menschen und treibt Dämonen aus. Und er sagt: „Wenn ich
durch den Finger Gottes die Dämonen austreibe, dann ist das Reich Gottes bei
euch angekommen.“
Als die Pharisäer ihn fragen: Wann kommt das Reich Gottes? antwortet er
ihnen: „Das Reich Gottes kommt nicht so, dass man es beobachten könnte. Man
wird auch nicht sagen können: Hier ist es! oder: Dort ist es! Denn seht, das
Reich Gottes ist mitten unter euch.“
Wartet nicht auf einen Umsturz der Verhältnisse, wartet nicht darauf,
dass Gott eine bessere Welt schafft. Lebt einfach so, wie ihr meint, dass das
Leben in einer besseren Welt sein sollte. Ihr könnt mehr bewirken, als ihr
meint. Vielleicht ist es sogar manchmal besser, wenn ihr gar nichts tut und
einfach geschehen lasst, was Gott euch an Möglichkeiten zuspielt.
Sagt Jesus damit die Revolution ab, die seine Mutter so sehnsüchtig
erwartet hat? Oder spricht er von einer noch radikaleren Revolution - einer
Revolution, die nicht die Hungrigen satt macht und die Satten hungrig, sondern
den Hunger abschafft - einer Revolution, die nicht die Mächtigen vom Thron
stürzt und die Machtlosen auf den Thron setzt, sondern die Throne umstürzt -
eine Revolution die nicht den Kolonialismus, die Herrschaft der mächtigen
Völker über die schwachen beseitigt, sondern die Grenzen der Völker sprengt und
alle Menschen zu Schwestern und Brüdern macht?
Am Ende hängt Jesus am Kreuz, wie ein Aufrührer oder Terrorist,
hingerichtet von den Römern, der Besatzungsmacht. Über ihm hatten die Römer
eine Inschrift angebracht, um ihn zu verspotten und zu demütigen: „Dies ist der
König der Juden.“
Nach dem Johannesevangelium war Jesus‘ Mutter dabei, als er gekreuzigt
wurde. Matthäus, Markus und Lukas erwähnen sie nicht.
Was dachte sie, falls sie die Hinrichtung ihres Sohnes miterlebt hat?
Dass er ihre Erwartungen enttäuscht hat, dass er Israel nicht befreit hat von
der Herrschaft der Römer und vom Hunger, dass er das Königreich seines
Vorfahren David nicht wieder aufgerichtet hat?
Oder sah sie die Erwartungen und Hoffnungen, die sie als junge Frau
hatte, jetzt in einem neuen Licht, sagte sie: die Revolution Gottes geschieht
anders als ich es mir damals als junge Frau vorgestellt habe - nicht mit einem
grossen Knall, sondern in vielen kleinen Schritten?
Ein Umsturz der anderen Art?
Am Anfang der Apostelgeschichte, der Fortsetzung seines Evangeliums,
erzählt Lukas, dass Jesus nach seiner Auferstehung immer wieder seinen Aposteln
erschienen ist und mit ihnen über das Reich Gottes gesprochen hat. Dabei haben
ihn seine Jüngerinnen und Jünger gefragt: „Herr, wirst du noch in dieser Zeit
deine Herrschaft wieder aufrichten für Israel?“ Jesus hat ihnen geantwortet:
„Euch gebührt es nicht, Zeiten und Fristen zu erfahren, die der Vater in seiner
Vollmacht festgesetzt hat. Aber ihr werdet Kraft empfangen, wenn der heilige Geist
über euch kommt, und ihr werdet meine Zeugen sein, in Jerusalem, in ganz Judäa,
in Samaria und bis ans Ende der Erde.“
Die politischen Hoffnungen der Jüngerinnen und Jünger auf ein messianisches Königreich in Israel haben sich bis heute nicht erfüllt. Aber von damals bis heute haben Menschen im Geist und in der Kraft Gottes Kranke gepflegt und manchmal auch geheilt, haben die Grenzen der Klassen, der Nationen, der Kulturen und Religionen übersprungen, haben Hunger und Durst gelindert, haben Nackte bekleidet, haben Gefangene besucht und befreit, haben sich eingesetzt für Recht und Gerechtigkeit, haben das Feuer der Liebe entzündet gegen die Dunkelheit, die Kälte, die Einsamkeit.
Jeremy Adler hat in der "Welt" vom 20. Juni 2020 eine präzise und konzise Kritik der Theorie des "kulturellen Gedächtnisses" vorgelegt, die in den letzten Jahrzehnten von Jan und Aleida Assmann vertreten wurde und die kulturwissenschaftliche sowie mehr noch die feuilletonistische Diskussion stark beeinflusst hat - nicht unbedingt zu deren Vorteil.
In jüngster Zeit feiert das Studium des Gedächtnisses Konjunktur. Wie schon oft bemerkt wurde, ist es geradezu zur Obsession mancher Wissenschaftler geworden. Dazu gehört auch das zuerst von den Konstanzer Gelehrten Jan und Aleida Assmann beschriebene Phänomen des "kulturellen Gedächtnisses", demzufolge Geschichte nicht als solche dargestellt wird, sondern durch die Erinnerung an ein Geschehen, wie es sich in Riten, Denkmälern und sozialen Praktiken des Handelns offenbart. Die deutsche Debatte um Erinnerungskultur der vergangenen zehn Jahre wäre ohne die Assmanns nicht denkbar gewesen.
Der Begriff des "kulturellen Gedächtnisses" der Assmanns leitet sich von dem ab, was Maurice Halbwachs in "Les cadres sociaux de la mémoire" (1925, Deutsch: "Das Gedächtnis und seine sozialen Bedingungen") das "kollektive Gedächtnis" nannte: "Kein Gedächtnis ist möglich außerhalb des Rahmens welche die Menschen, die in einer Gesellschaft leben, verwenden, um ihre Erinnerungen zu bestimmen und abzurufen".
Halbwachs ist sich gewiss, dass es sich um ein soziales, von der Soziologie zu erfassendes Phänomen handelt. Er meint, im Gegensatz zum individuellen Gedächtnis operiere die kollektive Erinnerung mit einem komplexen Gebilde von Texten und Institutionen, von Menschen und Ideen. Er untersucht besonders das christliche oder, wie er es nennt, das religiöse Gedächtnis, das vor allem auf Geboten, Dogmen und Riten beruht.
Die Assmanns wollen ihr Konzept gegen Halbwachs abgrenzen, doch wirkt ihre Demarkation oft wenig stichhaltig. Für Aleida Assmann ist das kulturelle Gedächtnis "die Tradition in uns, die über Generationen, in jahrhunderte-, ja teilweise jahrtausende-langer Wiederholung gehärteten Texte, Bilder und Riten, die unser Zeit- und Geschichtsbewusstsein, unser Selbst- und Weltbild prägen." Das Problem an dieser Definition ist jedoch die Frage, was mit der "Tradition in uns" gemeint ist. Wer ist dieses "wir"? Wie kann eine Tradition "in" uns sein, da sie doch erst durch die Beziehung zwischen den Generationen entsteht.
Ferner behaupten die Assmanns, das "kulturelle Gedächtnis" sei eine "Tradition", erklären aber nicht, inwiefern ein Gedächtnis sich von einer Tradition unterscheidet. Dieses Gedächtnis habe die Eigenschaft, die gesamte Lebenswelt des Menschen zu bestimmen - "Zeit- und Geschichtsbewusstsein, unser Selbst- und Weltbild". Das widerspricht der Auffassung von Halbwachs insofern, als es das Gedächtnis von seinem sozialen Rahmen - und damit von jeglicher Wirklichkeit - loslöst und verselbständigt.
Das "Gedächtnis" im Assmannschen Modell stellt die Ursache sämtlicher menschlicher Betätigungen dar, es wirkt wie eine Totalerklärung. Alles, was gemeinhin Religion und Mythologie, Philosophie und Wissenschaft, Literatur und Kunst, Ethik und Recht ermöglichten, soll nun das "kulturelle Gedächtnis" leisten; es ist das einzige Erklärungsprinzip. Das bedeutet aber, die Wissenschaft im Irrationalen zu grundieren, alles bleibt im Reich der Behauptungen. Das Assmannsche Geschichtsbild läuft auf eine Substanzialisierung einzelner Völker oder Religionen hinaus - etwa "Juden", "Christen" oder "Muslime", das Soziale, das für Halbwachs grundlegend war, entfällt.