Als einige seiner Jünger Jesus darum baten, am Tisch auf den Ehrenplätzen neben ihm sitzen zu dürfen, antwortete er ihnen:
Die Herrscher der Völker, ihre Großen, unterdrücken ihre Leute und lassen sie ihre Macht spüren. Bei euch muss es anders sein! Wer von euch groß sein will, soll euer Diener sein, und wer der Erste sein will, soll allen anderen Sklavendienste leisten. (Markus 10,42-22)
Wie oft, konfrontiert Jesus seine Jünger mit einer paradoxen Forderung. Er sagt nicht: Ihr sollt nicht größer und besser sein wollen als die anderen. Er akzeptiert, dass einige (anscheinend keineswegs alle!) den Wunsch haben, besser zu sein als die anderen. Aber er ändert den Maßstab und damit das Ziel und die Gestalt des Wettbewerbs. Groß ist nicht, wer anderen seinen (oder ihren) Willen aufzwingen kann und sie von sich abhängig macht. Groß ist, wer merkt, wo andere ihn (oder sie) brauchen, wie er ihnen helfen kann - und das dann auch tut. Der Spitzenplatz ist nicht "ganz oben", sondern "ganz unten", nicht direkt neben Jesus, sondern bei denen, die ganz weit weg von ihm sind.
26.1.13
6.1.13
Die Auferstehung Jesu als Bestätigung seines Wegs ans Kreuz
Für die (alle?) ersten Christen scheint die Überzeugung, dass Jesus von den Toten auferweckt worden ist, ein wichtiger Grund dafür gewesen zu sein, dass sie seinen Tod am Kreuz nicht als Scheitern seines Lebens und Widerlegung seiner Botschaft verstehen mussten. Indem Gott Jesus von den Toten auferweckt hat, hat er ihn bestätigt und ihm Recht gegeben gegenüber denen, die ihn umgebracht haben. (Ein anderer Grund dafür, die Kreuzigung Jesu nicht als sein Scheitern sehen zu müssen, war die Überzeugung, dass sein Leiden und sein Tod bereits im Alten Testament vorhergesagt worden waren.) Die Überzeugung, dass Gott Jesus von den Toten auferweckt und ihm damit Recht gegeben hat, motivierte die ersten Christen dazu, der Lehre und dem Vorbild Jesu zu folgen und sich seine Anliegen zu eigen zu machen.
In diesem Glauben haben sie die Welt verändert und in ihr Keime der Hoffnung auf eine bessere Welt gepflanzt, getrieben von einer Unruhe, die nicht bereit ist, sich mit Unrecht und Leid abzufinden. Darin erweist sich nun nochmals auf eine neue Weise, dass Jesus nicht gescheitert ist - oder besser: es zeigt sich, dass es Grund zu der Hoffnung gibt, dass er am Kreuz nicht gescheitert ist. Der Auferstehung (und der Vorhersage der Leiden Jesu durch die Heiligen Schriften) bedarf es nun nicht mehr - oder sie kann neu verstanden werden: Jesus lebt in der Bewegung weiter, die er angestossen und für die er sein Leben hingegeben hat.
Damit wird dann auch besser verständlich, dass das Kreuz durch die Auferstehung nicht rückgängig gemacht wird, sondern aufgehoben in einem dreifachen Sinn:
In diesem Glauben haben sie die Welt verändert und in ihr Keime der Hoffnung auf eine bessere Welt gepflanzt, getrieben von einer Unruhe, die nicht bereit ist, sich mit Unrecht und Leid abzufinden. Darin erweist sich nun nochmals auf eine neue Weise, dass Jesus nicht gescheitert ist - oder besser: es zeigt sich, dass es Grund zu der Hoffnung gibt, dass er am Kreuz nicht gescheitert ist. Der Auferstehung (und der Vorhersage der Leiden Jesu durch die Heiligen Schriften) bedarf es nun nicht mehr - oder sie kann neu verstanden werden: Jesus lebt in der Bewegung weiter, die er angestossen und für die er sein Leben hingegeben hat.
Damit wird dann auch besser verständlich, dass das Kreuz durch die Auferstehung nicht rückgängig gemacht wird, sondern aufgehoben in einem dreifachen Sinn:
- Als Zeichen des Scheiterns Jesu und als Sieg der Gewalt über die Liebe wird es ausser Kraft gesetzt und für ungültig erklärt.
- Als Ziel und Vollendung des Weges Jesu wird es bewahrt und bestätigt: Es war richtig und konsequent, dass Jesus unter den gegebenen Umständen diesen Weg gegangen ist.
- Als Anfang einer neuen Bewegung wird das Kreuz durch die Auferstehung auf eine höhere Ebene gehoben - oder: die Auferstehung besteht gerade darin, dass das Kreuz Jesus nicht ausgeschaltet und sein Anliegen nicht zunichte gemacht hat, sondern zum Anstoss und Anlass dafür geworden ist, dass andere seine Sache weiter getragen haben und seinen Weg weiter gegangen sind.
Jesus nachzufolgen, heisst nicht, das Kreuz hinter sich haben oder hinter sich bringen wollen, sondern es auf sich zu nehmen - nicht, um dafür ("per aspera ad astra") mit einer Auferstehung belohnt zu werden, sondern aus der Einsicht heraus, dass es besser ist, Unrecht zu erleiden als Unrecht zu tun, sich nicht vom Bösen überwinden zu lassen, sondern das Böse mit Gutem zu überwinden.
4.12.12
Gott und die Politik

Darf Gott sich in
die Politik einmischen? Der Papst meint: „Ja!“ Die Zeit sagt: „Nein!“ (Nr. 49
vom 29. November 2012) Schon vor zweieinhalbtausend Jahren war diese Frage
umstritten. Damals wie heute ging es nicht nur darum, ob Gott sich einmischen
darf, sondern auch (und vor allem) darum, welche Ansichten er vertreten darf.
Interessanterweise scheint der Konflikt damals nicht einer zwischen „Kirche“
und „Staat“ gewesen zu sein. Vielmehr verliefen die Fronten quer durch „Kirche“
und „Staat“.
30.9.12
Wahre Demut
Und Gott sprach: Es sollen Lichter werden an der Feste des Himmels, Tag und Nacht zu scheiden, und sie sollen als Zeichen dienen und zur Bestimmung von Zeiten, Tagen und Jahren, und sie seien Lichter an der Feste des Himmels, dass sie auf die Erde leuchten! Und es geschah also. Gott machte die zwei groβen Lichter: das gröβere Licht, dass es den Tag beherrsche, und das kleinere Licht, dass es die Nacht beherrsche, dazu auch die Sterne. Und Gott setzte sie an die Feste des Himmels, dass sie auf die Erde leuchten und Tag und Nacht beherrschen und Licht und Finsternis scheiden... (Genesis 1,14-18)
Im Talmud (bChullin 60b) wird (von Rabbi Schim'on ben Pazi) auf den (scheinbaren) Widerspruch hingewiesen, dass es zuerst heiβt: Gott machte die zwei groβen Lichter, und dann: das groβe Licht ... und das kleine Licht. (Im Hebräischen steht dasselbe Wort für groβ und für gröβer (bzw. für klein und für kleiner.) Dieser Widerspruch wird durch die folgende kleine Erzählung erklärt: Der Mond - der, wie hier stillschweigend vorausgesetzt wird, zunächst gleich groβ wie die Sonne geschaffen worden war - sprach vor dem Heiligen, gepriesen sei er: Herr der Welt, ist es denn angängig, dass zwei Könige sich einer Krone bedienen? Der Mond bezweifelt also, dass es möglich ist, dass zwei Gestirne, die Sonne und er selbst, gemeinsam die Herrschaft ausüben. Daraufhin wird er von Gott bestraft, indem er verkleinert und so der Sonne nachgestellt und untergeordnet wird: Er erwiderte ihm: Geh und vermindere dich!
Im Talmud (bChullin 60b) wird (von Rabbi Schim'on ben Pazi) auf den (scheinbaren) Widerspruch hingewiesen, dass es zuerst heiβt: Gott machte die zwei groβen Lichter, und dann: das groβe Licht ... und das kleine Licht. (Im Hebräischen steht dasselbe Wort für groβ und für gröβer (bzw. für klein und für kleiner.) Dieser Widerspruch wird durch die folgende kleine Erzählung erklärt: Der Mond - der, wie hier stillschweigend vorausgesetzt wird, zunächst gleich groβ wie die Sonne geschaffen worden war - sprach vor dem Heiligen, gepriesen sei er: Herr der Welt, ist es denn angängig, dass zwei Könige sich einer Krone bedienen? Der Mond bezweifelt also, dass es möglich ist, dass zwei Gestirne, die Sonne und er selbst, gemeinsam die Herrschaft ausüben. Daraufhin wird er von Gott bestraft, indem er verkleinert und so der Sonne nachgestellt und untergeordnet wird: Er erwiderte ihm: Geh und vermindere dich!
2.9.12
Religiöse Erziehung und Religionsfreiheit
In einem Beitrag zum Feuilleton-Teil der Neuen Züricher
Zeitung vom 30.8.2012 mit dem Titel „Kindeswohl und Elternpflicht“* plädiert Ludger
Lütkehaus „für das Prinzip Aufschub“ in der religiösen Erziehung: „die Ausübung
der elterlichen Erziehungsrechte [darf] der späteren freien Entscheidung in
Fragen der Religionszugehörigkeit nicht irreversibel vorgreifen“. Eltern sind
dazu verpflichtet, „ihre unmündigen Kinder so früh wie möglich zur Mündigkeit
zu befähigen und die mündig gewordenen unverzüglich in ihre Freiheit als
«Weltbürger» zu entlassen“.
Vor diesem Hintergrund polemisiert Lütkehaus gegen die von
Peter Sloterdijk so genannten «Weitergabe-Institutionen», «Taufnationen» und
«Religionsnationen» als «geschlossene Entbindungsanstalten», die „für eine
unnötig vorauseilende Bekenntnisdetermination der unmündigen Kinder [sorgen].
In einer zirkulären konfessionellen Praxis schaffen sie selber jene homogenen
religiösen Milieus, die sie als Rechtfertigungsgrund der von ihnen ausgeübten
Konformierung bemühen.“
Beschneidung und religiöser Dialog
Das Landgericht Köln hat bekanntlich in einem Urteil vom 7. Mai 2012 festgestellt, dass eine Beschneidung von Minderjährigen aus religiösen Motiven eine rechtswidrige Körperverletzung darstellt. Es hat das Grundrecht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit in diesem Fall wegen der Endgültigkeit des Eingriffes höher gewichtet als das Erziehungsrecht der Eltern und deren Religionsfreiheit. Außerdem nimmt die Beschneidung nach Ansicht des Gerichts dem Kind die Freiheit, später selbst über seine Religionszugehörigkeit entscheiden zu können.* Man kann also nicht einfach sagen, das Gericht habe die Religionsfreiheit eingeschränkt. Es hat - unter anderem - die Religionsfreiheit der Eltern zugunsten der Religionsfreiheit ihrer unmündigen Kinder eingeschränkt.
25.8.12
Auferstehungsglaube
Helmut Fischer, Der Auferstehungsglaube: Herkunft, Ausdrucksformen, Lebenswirklichkeit, Zürich: Theologischer Verlag, 2012
19.8.12
Größe und Bescheidenheit Gottes
Rabbi Jochanan sagte: Überall, wo du die Größe des Heiligen, gepriesen sei er, findest, findest Du auch seine Bescheidenheit. Dies ist in der Thora geschrieben, in den Propheten wiederholt und in den Schriften ein drittes Mal bezeugt. Es ist in der Thora geschrieben: Fürwahr, Jahwe, euer Gott, ist der Gott der Götter und der Herr der Herren, der große, starke und furchtbare Gott, der niemanden bevorzugt und sich nicht bestechen lässt. [Deuteronomium 10,17] Danach ist geschrieben: Er verschafft der Waise und der Witwe Recht und er liebt den Fremden, so dass er ihm Nahrung und Kleidung gibt. [Deuteronomium 10,18] Es wird wiederholt in den Propheten, wo geschrieben ist: Fürwahr, so hat gesprochen der Hohe und Erhabene; er thront auf ewig, und sein Name ist heilig: Ich throne hoch und erhaben, und ich bin bei dem, der verzweifelt und zerknirscht ist, um den Geist der Zerknirschten zu beleben und um das Herz der Verzweifelten zu beleben. [Jesaja 57,15] Ein drittes Mal ist es in den Schriften bezeugt, wo geschrieben ist: Singt für Gott, besingt seinen Namen, erhebt ihn, der durch die Wüsten fährt, mit seinem Namen Jah, jubelt vor ihm! [Psalm 68,5] Danach ist geschrieben: Vater der Waisen und Richter der Witwen ist Gott in seiner heiligen Wohnung. [Psalm 68,6] (Babylonischer Talmud, Megilla 31a)
6.8.12
Moral Enhancement
Im Magazin Philosophy Now (July/August 2012) plädieren die Philosophieprofessoren Julian Savulescu (Oxford) und Ingmar Persson (Gothenburg) dafür, die Möglichkeiten einer moralischen Verbesserung der Menschen durch biomedizinische Mittel zu erforschen. (Vgl. ihr Buch Unfit for the Future: The Urgent Need for Moral Enhancement, Oxford University Press, 2012.) Begründung: Die Moralität der meisten Menschen sei den Problemen unserer Zeit - Savulescu und Persson nennen vor allem die durch Menschen bewirkte Klimaveränderung und die drohende Auslöschung allen Lebens auf der Erde durch Massenvernichtungswaffen - nicht gewachsen. Die meisten Menschen fühlen sich nur für ihre räumlich und zeitlich engere Umgebung moralisch verantwortlich. Nur wenige spüren eine persönliche Verantwortung für die globale Lage aller Lebewesen auf der Erde in ferner Zukunft - obwohl ihr Handeln de facto darauf Einfluss hat. Die traditionellen Mittel, diese Situation zu verbessern, moralische Erziehung und soziale Reformen, haben sich nach Meinung der Autoren als nur begrenzt tauglich erwiesen. In Anbetracht der Nähe und der Größe der Gefahr sollte man deshalb von allfälligen Möglichkeiten, die Menschen z.B. durch genetische Eingriffe oder pharmazeutische Behandlung moralisch zu verbessern, Gebrauch machen - mindestens aber über den Einsatz solcher Mittel nachdenken und ihn nicht von vornherein ablehnen.
5.8.12
Unfreiwillige Liebe
Stellen Sie sich vor, Sie hätten sich unsterblich in einen Menschen verliebt, der/die Ihre Liebe nicht erwidert. Nun erfahren Sie, dass es ein neues Medikament gibt, das bewirkt, dass ein Mensch Liebe für einen bestimmten anderen Menschen empfindet. Die Wirkung dieses Medikaments ist unbegrenzt. Es muss nur ein einziges Mal verabreicht werden. Sie erhalten die Möglichkeit, der von Ihnen geliebten Person dieses Medikament zu verabreichen? Werden Sie das tun? Wollen sie das? Dürfen Sie das?
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